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Isegrim und Grünrock - der Wolf aus der Sicht vieler Jäger

(C) Jörg Rüblinger
(C) Jörg Rüblinger

Der Wolf kam vor ca. 16 Jahren zurück nach Deutschland. Nicht jeder heißt ihn willkommen ...

 

Isegrim

 

Die Bezeichnung "Isegrim" wird gerne von Jägern verwendet wenn sie über den Wolf schreiben oder etwas zu erzählen haben. Der Name kommt wahrscheinlich aus dem mittelhochdeutschen "Isengrin" und kann mit "Eisen-Knurren" üersetzt werden. "Isegrim" ist in der Fabel "Reineke Fuchs" der Wolf, der den feudalen Baron verkörpert. Isegrim wird als rücksichtslos, böse, gierig und grimmig dargestellt. Man kann den Namen aber auch aus "Grima" ableiten, was Maske bzw. Gesicht bedeutet, also Eisenmaske/Graumaske, was wiederum die typische Gesichtsmaske des Europäischen Grauwolfs beschreiben kann. Viele Jäger nennen den Wolf auch "Grauhund". Ach ja, wo ich schon dabei bin: Menschen, die sich über die Rückkehr des Wolfs freuen, sind für viele Jäger "Wolfskuschler" oder "Ökoterroristen" ...

 

Seit vielen Jahren verfolge ich in allen großen deutschsprachigen Jagdforen die Threads zum Thema "Wolf" und kann zusammenfassend sagen, dass ich kaum verbohrtere, hasserfülltere, intolerantere, aber auch keine uninformierteren und verblödeteren Statements zum "Umgang" mit einem heimischen Wildtier gelesen habe. Viele Jäger scheinen unverbesserliche Verschwörungstheoretiker und tradierte Neophobiker zu sein. Sie glauben tatsächlich, dass Wölfe von Öko-Aktivisten "ausgewildert" und ausgesetzt wurden. Ebenso häufig hört und liest man, dass die Jäger traditionell für die Wildregulation zuständig seien, weil ja die großen Prädatoren fehlen. Häh, wie bitte? Die - und nur die - haben Bär, Luchs und Wolf doch ausgerottet. Und wenn jetzt nach langer Zeit mal wieder ein paar Tiere durch das Land streifen, da müssen sie auch schon wieder bejagt werden? Schwachmaten-Logik im Lodenmantel ...

 

Die Mehrzahl der mittlerweile über 360.000 Jäger in Deutschland sieht den Wolf auch als direkten Konkurenten. Sie befürchten, dass Wildbestände durch den Wolf stark reduziert werden und sich das Verhalten des Jagdwilds verändert und dadurch schwerer zu bejagen sei. Letzteres ist wohl schon zu beobachten, aber nach nun bald 16 Jahren Erfahrung mit Wölfen in Deutschland weiß man, dass es keine nennenswerten Einbußen der Jagdstrecken gibt. Einzige Ausnahme: das Muffelwild in Ostdeutschland, eine von Jägern zur Bereicherung ihrer Jagdpassion eingeführte alpine Tierart ... die im flachen Osten der Republik auch wirklich nichts zu suchen hat!

 

Ist doch wirklich doof, wenn man als Jäger länger als nötig auf das Töten warten muss. Das spontane Erschiessen von angefütterten, machmal fast zutraulichen Wildtieren direkt unterhalb des Hochsitzes ist schon ein tolles Vergnügen. "Passion" und "Leidenschaft" durch und durch ... und "natürlich" ökologisch absolut notwendig, da ja die "Raubtiere" als Regulativ fehlen. Paradox, oder?

 

Ich bin kein radikaler Jagdgegner, aber es gibt für mich seltsamerweise so unglaublich viele völlig engstirnig-skurrile "Argumente" für die Rechtfertigung der Jagd auf teilweise bestandsgefährdete Säugetier- und Vogelarten, dass ich oft nur noch den Kopf schütteln kann - manchmal bekomme ich es auch mit der Angst zu tun. Gönnen Sie sich mal den "Spaß" und surfen Sie bei den einschlägigen Jagdforen vorbei und lesen dort die Beiträge. Ich hoffe, dass sich in diesen Foren nur eine eingeschränkte und hohlköpfige Minderheit austauscht und es nicht einen repäsentativen Querschnitt der Meinung und Ansichten deutscher Jäger darstellt. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob meine Hoffnung gerechtfertigt ist.

 

Sehr gutes Interview zum Thema Jagd (allg.) und den Wölfen in Deutschland mit Ulrich Wotschikowsky - einem der besten Wolfsexperten des Landes

 

Wir sollten uns freuen, dass diese Tierart wieder zur heimischen Fauna gehört. Wölfe sind keine Kuscheltiere und auch nicht gänzlich ungefährlich für Menschen, aber Panikmache und "Volksverdummung" helfen uns da nicht weiter. Wir müssen sachlich mit diesem Thema umgehen. Es gibt ohne Zweifel Probleme für einige Weidetierhalter in den Wolfsgebieten, aber die sind durch entsprechende Schutzmaßnahmen gut lösbar. Mit verhaltensauffälligen Wölfen muss in jedem Fall entsprechend der Wolfsmanagementpläne der Bundesländer umgegangen werden. Gegebenenfalls muss man auch gefährliche Tiere dem Bestand entnehmen, also töten (wie Ende April 2016 im Falle eines jungen Rüden ohne natürliche Scheu geschehen). Uns steht es jedoch nicht zu, eine einheimische Tierart in ihren Beständen drastisch zu dezimieren bzw. auszurotten nur weil sie für einen intoleranten Teil der Bevölkerung nicht in deren "begrenztes" Weltbild passt.

 

Die ungefähre Population von Wölfen in Deutschland im Jahr 2016:

Ca. 45 nachgewiesene Rudel. Grob geschätzt geht man von ca. 350 - 400 Einzeltieren aus.

 

UPDATE Dezember 2019:

Neben den 105 Rudeln sind weiterhin 25 Wolfspaare sowie 13 sesshafte Einzelwölfe für das Monitoringjahr 2018/19 bestätigt.

Im vorhergehenden Monitoringjahr 2017/18 wurden 77 Rudel, 40 Paare und 3 Einzelwölfe nachgewiesen (Stand vom 2.12.2019).

 

 

 

 

Gefährliche Tiere ?

 

Auf der Rangliste der gefährlichen Tiere in Deutschland steht übrigens das Rind auf Platz eins. Im Jahre 2014 hat es vier Todesfälle gegeben. Drei Menschen starben an den Folgen von Hundebissen. Der, nach der Beiss-Statistik gefährlichste Hund ist übrigens der Deutsche Schäferhund. 2015 gab es bei mehr als 230.000 gemeldeten Wildunfällen mit Auto- und Motorradfahrern über 20 tote Menschen. Bei den Zecken sah es so aus: In 2013 gab es in Deutschland über 400 Meldungen von durch Zecken übertragener Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME). Rund die Hälte der Patienten erkrankte schwer mit bleibenden Schäden. Die seriöseste Datenbasis über Wolfsangriffe auf Menschen der letzten 400 Jahre (!) aus Europa, Nordamerika und Asien bietet der sogenannte "Linnell-Report". Er wurde 2002 von einem 18-köpfigen Team aus Wildbiologen am Norwegischen Institut für Naturforschung angefertigt. Aus dem Bericht geht hervor, dass es zwischen 1950 und 2000 in Europa – ohne Russland und Weißrussland– bei einer geschätzten Wolfspopulation von ca. 15.000 Tieren zu 59 Wolfsangriffen auf Menschen kam. Davon gingen 38 Angriffe von nachweislich tollwütigen Wölfen aus, von denen fünf tödlich endeten. Vier weitere Menschen wurden von futterkonditionierten Wölfen getötet, also von Tieren, die von Menschen angefüttert wurden und dadurch ihre natürliche Scheu verloren hatten. Insgesamt gab es 9 Tote in 50 Jahren in Europa. Rotkäppchen und ihre Großmutter wurden in der Datenauswertung natürlich nicht berücksichtigt, denn die mehr als 50 Jahre alte Geschichte ging am Ende ja auch nur für den Wolf böse aus ...

 

In diesem Zusammenhang vielleicht erwähnenswert:

Im Straßenverkehr starben in Deutschland in den letzten Jahren ca. 3500 Menschen pro Jahr - im Mittel etwa 10 Tote am Tag.

Offizielle Meldung aus dem September 2015: In Brandenburg schiesst ein Jäger in ein Maisfeld. Es raschelte und er vermutete dort Wild. Er "trifft" zwei Menschen beim Schäferstündchen. Der getroffene Mann stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus, die Frau musste am Oberarm notoperiert werden (Quelle: Focus u.v.a.m.). Machen sie sich mal im Internet über "Jagdunfälle" schlau: 2014 starben mindestens 25 Menschen bei Jagdunfällen bzw. durch Jagdwaffen, Im Jahr 2013 waren es sogar über 40 Tote. Da fällt mir der Begriff "Kollateralschaden" ein. Deswegen traue ich mich vielleicht bald nicht mehr in den Wald ...

 

Ich persönlich denke, dass man die vom Wolf ausgehende Gefahr für den Menschen weder unterschätzen noch übertreiben sollte. Totale Verharmlosung ist ebenso verkehrt wie die oft maßlose und vor allem bislang völlig unbegründete Panikmache. Wir sollten vernünftig und verantwortungsvoll mit den Gefahren, denen wir ja in fast allen Lebensbereichen ausgesetzt sind, umgehen. Warten wir doch einfach mal ab, wie sich das alles entwickelt ...

 

 

 

 

Gute Information über deutsche Wölfe finden Sie hier:

 

Wolfsverbreitung Google Maps

Wolfsite - Wölfe in Deutschland (Update: U. Wotschikowsky ist am 30.08.19 verstorben)

Freundeskreis freilebender Wölfe

Untersuchung von 2020 zur Anzahl möglicher Wolfsreviere in Deutschland

 

Die erste Wolfsbeobachtung meines Lebens: 7 Welpen vor Sonnenaufgang (nur 4 davon sind auf dem schlechten Foto zu erkennen), Lausitz, August 2019
Die erste Wolfsbeobachtung meines Lebens: 7 Welpen vor Sonnenaufgang (nur 4 davon sind auf dem schlechten Foto zu erkennen), Lausitz, August 2019

Einige Threads aus Jagdforen zum Thema Wolf und Luchs:

 

Leider in der Mehrzahl strunzdumm, verbohrt, voller Hass und bar jeder Realität. Und oft ist auch so gut wie kein Wissen über die ökologischen Zusammenhänge, die Verhaltensweisen von heimischen Säugetieren und Vögeln, sowie Problematik des Biotopanspruchs von Wildtieren vorhanden. Ich weiß, es gibt auch andere Jäger, aber warum bekommt man von denen so wenig zu lesen und zu hören?

 

 

Hier ein paar "wunderbare" unveränderte Original-Zitate aus dem Jagdforum "Wild und Hund":

Die meinen das wirklich so, wie sie es schreiben! Für mich allesamt "Comedy-tauglich"!

 

Jägerzitat 1:

 

"Wölfe fallen Menschen an. Das weiß man aus unzähligen alten Berichten. Wenn Wölfe alt werden und nicht mehr schnell laufen können, fallen sie, um nicht zu verhungern, Kinder und Alte Leute an. Aber wenn das Rudel weiterzieht, kommen die alten Wölfe nicht mehr mit. Sie bleiben zurück. Dem Hungertod preisgegeben. Denn ein alter Wolf, der nicht mal mehr dem mit 15 bis 20 km/h wandernden Rudel folgen kann, ist niemals in der Lage ein Reh zu erwischen. Ein solcher hinkender Wolf (häufig Hüftdysplasie, oder ein Knochenbruch durch einen Jagdunfall, weil eine Wildsau sich gewehrt hat) kann sich auch nicht pflanzlich ernähren, weil sein Gebiß und sein Magen und sein Darm nicht dafür geeignet sind.

Er verhungert. In dieser Phase (sie dauert zwei Wochen) folgt er seiner feinen Nase und kommt zwangsläufig in die Nähe menschlicher Siedlungen. Stallmist ist bei zufällig günstigem Wind für einen Wolf viele Kilometer weit riechbar. In den Stall wagt er sich nicht, er weiß daß er da erschlagen wird, außerdem sind auf den Höfen viele Hunde. So wartet er hungrig in sicherer Entfernung. Wenn sich nun spielende Kinder oder alte hinkende Leute von den Häusern entfernen und zum Waldrand kommen, schlägt er zu. Die Kinder laufen weg, das langsamste reißt er dann. Bei den Alten hat er noch leichteres Spiel. Einen alten Menschen springt er von hinten an."

 

Jägerzitat 2:

 

"Völlig verrückt und verantwortungslos ist es, wenn manche weltfremde Träumer sagen, daß einzelne Wölfe ungefährlich seinen, weil Wölfe nur im Rudel auf Menschenjagd gehen. Ja, das stimmt für gesunde Wölfe. Aber jeder Wolf wird alt. Dann kann er kein Wild mehr erbeuten. Um ein Reh zu hetzen, muß man sehr schnell rennen können. Und irgendwann geht es nicht mehr. Einmal früher, einmal später. Aber jeder Wolf kommt ins Alter, wo er nicht mehr jagen kann. Und dann fällt er eben die Schwächsten der menschlichen Gesellschaft an. Ein Kleinkind, das sich etwas zu weit vom Hof entfernt (weil es Versteck spielt), eine alte bucklige und halbblinde Frau die Pilze sammelt, ein alter hinkender und schwerhöriger Großvater der Haselnußsträucher sucht ..."

 

Jägerzitat 3:

 

"Ja, wenn wir Wölfe wiedereinbürgern, dann müssen wir auch das Deutsche Volk wiederbewaffnen. So wie in der Guten Alten Zeit! Die derzeitige 'Entwaffnung der Bürger' ist rückgängig zu machen, nix mehr 'Gewaltmonopol der Polizei'. Dann hat eben jeder Kleinbauer seinen 223er Automaten (Ich habe recherchiert - scheint ein Automatikgewehr mit einer Munition 5,56 x 24 mm zu sein!) geladen über dem Kamin hängen, jederzeit zugriffsbereit (nix versperrter Waffentresor) und führt seinen Revolver. Geladen in der Jackentasche."

 

Jägerzitat 4:

 

"Artenvielfalt hat nämlich auch ihre Grenzen. Morgen kommt dann ein Grünsympathisant und fordert, Schlangen in städtischen Parks heimisch zu machen. Das sind alles Auswüchse. Ich kenne einen Fall, wo auf dem großen Flachdach eines staatlichen Gebäudes mitten in der Großstadt Bienenstöcke aufgestellt wurden. Die Anrainer leiden sehr darunter. Beim Frühstück bei offenem Fenster haben sie Bienen auf der Konfitüre ! Und in der Cola-Dose ! Alte Leute die nichts mehr sehen sind extrem gefährdet (Gaumenstich)!!!"

 

Jägerzitat 5:

 

"Was wundert es dich? Das ist das Ergebnis der Wolfs-Gutrederei durch die Wolfsjubelperser. In allen Ländern, wo es den Wolf gibt und er nicht bejagt werden darf, wird ein nicht geringer Prozentsatz der Wölfe pro Jahr illegal um die Ecke gebracht. In Italien schätzt man 20 -25% des jährlichen Zuwachses und in Frankreich wird es nicht anders sein. Das gutmenschlich-vertrottelte Deutschland hinkt noch nach, aber die Ansätze sind an den Wolfsleichen deutlich erkennbar. Ja es gab mal eine Zeit da konnte man noch Strichnin in der Apotheke zum Ratten vergiften also auch die großen Schäferhundeartigen Ratten kaufen gibt's aber leider nicht mehr auch die guten Produkte der Landwirtschaft gibt es zwecks der par giftmorde und selbstmorde nicht mehr schade schade schade !"

 

 

Wussten Sie übrigens, dass Jäger ihre "Ausbildung", also den Erwerb des Jagdscheins, das "grüne Abitur" nennen? Man kann die Jagdprüfung sogar schon nach nur zwei Wochen "Unterricht" machen - lediglich knapp unter 140 Stunden sind notwendig. Wie kann man eigentlich in dieser kurzen Zeit ein solch komplexes Wissen ernsthaft vermitteln wollen?

 

Wie schön wäre es, wenn Mehrheit der mittlerweile weit über 360.000 Jäger in Deutschland (Stand 2016) auch wirklich mal etwas Sinnvolles für den Natur- und Artenschutz machen würden und eben nicht nur 3-5 Wildarten aufpäppeln, die in den Wäldern oftmals riesige Schäden durch Verbiss verursachen. Von wegen "Hegen und Pflegen" - Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfallt sehen anders aus als Reh-, Rot- und Schwarzwild zu mästen und alle "Raubtiere" (was "rauben" die eigentlich?) abzuknallen. Ok, eigentlich hatte Jagd noch nie etwas mit dem Erhalt der Artenvielfalt zu tun... Die Jagd hat (neben den Auswirkungen der "modernen" Landwirtschaft) meiner Meinung nach auch maßgeblich zur katastrophalen Bestandssituation vieler Vogel- und "Niederwildarten" beigetragen. Warum werden Tierarten erst vom Abschuss verschont, wenn es sie so gut wie nicht mehr gibt?



Kommentare: 3
  • #3

    Markus B. (Donnerstag, 24 November 2016 10:50)

    Es ist - wie so oft - die fehlende Toleranz!

  • #2

    Uli (Sonntag, 21 August 2016 12:01)

    Ganz meine Meinung! Zum Thema "Jagd" gibt es eine interessante Website http://www.abschaffung-der-jagd.de/ - leider gestalterisch nicht so ansprechend, aber die Informationen sind teilweise unglaublich.
    Grüße, Uli

  • #1

    Katrin (Freitag, 12 August 2016 00:14)

    Toller und sehr interessanter Blog-Artikel. Ich finde das Thema "Wolf" super spannend und ärgere mich auch sehr über die viel zu emotional geführten Auseinandersetzungen der beiden Meinungslager. In Jagdforen zu lesen wird ein ganz neuer unterhaltsamer "Spaß" für mich - manche spinnen ja total!